Freitag, 29. September 2017

Exorzismus am Multivan


Die eine oder andere Macke und spezielle Eigenheit gibt unseren Autos mit dem alter auch Charakter. Aber irgendwo muss man die Grenze ziehen. Zum Beispiel wenn das Auto uns ständig aussperren will und die Instrumente Nachts verrückt spielen. Genau das ist aber der Fall bei diesem VW T4 Multivan. Da ist wohl ein automobiler Exorzismus angebracht.



Eventuell will sich der Bulli auch nur dafür revanchieren dass er mal im Winter gegen einen Zaunpfosten gesetzt wurde, aber wahrscheinlicher ist dann doch ein elektrisches oder mechanisches Problem. Als erstes wollen wir mal sehen warum die Zentralverriegelung so schnell eingeschnappt ist. Bei Nics Bulli verriegelte sich die Beifahrertür wann immer man sie etwas fester ins Schloss fallen lässt. Hier und jetzt verriegeln sich die Türen wieder sobald man nur den Schlüssel im Schloss loslässt.


Sind die Türen aber erstmal offen, bleiben sie auch unverschlossen. Sehr merkwürdig. Liegt es möglicherweise an einem Kabelbruch in der Tür, wodurch der ZV ein falsches Signal übermittelt wird? Oder klemmt einer der Stellmotoren und läuft noch weiter wenn die Tür schon geschlossen hat? Zu viele Fragen und kein Antworten. Also bleibt nichts anderes übrig als sich Schritt für Schritt durch die Schließanlage zu arbeiten bis man den Fehler findet.


Betrachten wir doch nochmal die Symptome: egal ob man an der Fahrer oder Beifahrertür aufschließt, sobald der Schlüssel losgelassen wird, schließt das Auto wieder ab. Wenn man die Fahrertür aufschließt, den Schlüssel fest hält und öffnet, bleibt die Tür entriegelt, bis sie wieder ins Schloss fällt. An der Beifahrertür lässt sich die Tür in gleicher Weise öffnen, verriegelt aber auch sofort wieder - selbst wenn die Tür offen steht. Das muss wohl was mit der Aussperrsicherung an der Fahrertür zu tun haben. Der Türverriegelungs-Pin kann nur nach unten gedrückt werden wenn die Fahrertür geschlossen ist.


Das bringt mich auf eine Idee. Wenn man die Schlossfalle der Fahrertür manuell mit einem Schraubendreher in die geschlossene Position bringt und dann noch ein bisschen weiter gegen den Schnapper im Schloss drückt, fällt der Türpin nach unten. Genau in dieser Stellung ist plötzlich keinerlei Widerstand mehr am Türpin spürbar. Durch sein Eigengewicht will der Pin runter rutschen. Dann ist doch alles klar! Der Wagen hat anscheinend doch das selbe Problem wie Nics Bulli. Die Reparatur war entsprechend kein großer Akt mehr, nur die Feder selbst aus einem Ordner-Niederhalter selbst zu basteln verlangt etwas Fingerspitzengefühl. (Da dieser Wagen nachträglich mit anderen Lautsprechern ausgestattet wurde, lässt sich die Türtafel samt Lautsprecher abnehmen und zur Seite legen.) Damit ist diese Baustelle schonmal erfolgreich abgearbeitet.


Weiter geht es mit einem ähnlich schwer greifbaren Problem; das Kombiinstrument mit seinen Ausfallerscheinungen. Tagsüber funktioniert fast alles normal, nur die linke Blinkerkontrolleuchte und alle Warnlampen rechts vom Tachometer leuchten nicht wenn sie sollen. Nachts sieht die Sache nochmal etwas schlimmer aus; die Fernlichtkontrollampe leuchtet auf, die Instrumentenbeleuchtung funktioniert nicht und die Tankuhr sowie Kühlwasseranzeige gehen auf Nullstellung. Durch drehen am Dimmer für die Instrumentenbeleuchtung lässt sich die Helligkeit der Fernlichtkontrolle verändern und wenn man den passenden Punkt findet geht die Drehzahlmesser-Nadel auf 500 obwohl der Motor aus ist (nur bei eingeschalteter Zündung). Wenn man noch weiter am Dimmer dreht verschwinden irgendwann die Zahlen der Digitaluhr und die Kühlwasser/Öldruckkontrollleuchten erlöschen.


Die ersten schnellen Recherchen im Internet ergeben diverse mögliche Fehlerursachen; kaputter Dimmer im Lichtschalter, lose Masseanschlüsse unterm Armaturenbrett, Kabelbrüche und mit großer Wahrscheinlichkeit kalte Lötstellen auf der Platine des Kombiinstrument. Da sich ein Teil der Fehler durch feste Schläge aufs Armaturenbrett zumindest kurzzeitig beheben lässt, spekulieren wir direkt auf die Lötverbindungen. Um das zu reparieren muss das Kombiinstrument erstmal ausgebaut werden.


Der erste Arbeitsschritt besteht darin die drei Schrauben der Lenksäulenverkleidung zu lösen und diese abnehmen. Dann die zwei Schrauben von der Instrumentenverkleidung lösen und mit viel viel Gefühl und Gefummel zwischen Lenkrad und Armaturenbrett hindurch fädeln. Es ist definitiv möglich ohne das Airbaglenkrad abzubauen! Nun ist ein langer Kreuzschlitzschraubendreher von großem Wert um die beiden Schrauben oben links und rechts vom Kombiinstrument zu lösen. Vom Sicherungskasten aus lässt sich jetzt mit spitzen Fingern die Halteklammer der Tachowelle hinten am KI abstecken. So kann (wieder von oben) das KI soweit gedreht werden um den großen Stecker abzuziehen und das Teil herrauszufädeln.


Auf der Werkbank kann nun mit einem kleinen Schraubendreher das Glas vom KI abgeschraubt werden. Zu den zwei Schrauben sind an der unteren Kante noch ein paar Halteklammer zu lösen. Die Uhr/Drehzahlmesser auf der einen und Tank-/Kühlwasseranzeige sind jeweils nur eingeklipst und können mit sanfter Gewalt von der eigentlichen Platine abgezogen werden. Jetzt ist der Weg frei um die offensichtlich beschädigten Lötstellen vom Stecker nachzulöten. Bei den starken Vibrationen vom Motor ist es kein Wunder das nach 22 Jahren die eine oder andere Stelle losgerappelt wurde. Auf der rechten Seite vom KI befindet sich auf seinem eigenen kleinen Kühlkörper der so genannte Spannungskonstanter, er versorgt die Instrumente mit einer geregelten Eingangsspannung von 10V.


Je nachdem welche Anzeigen nicht mehr korrekt funktionieren kann auch hier ein Defekt vorliegen. Hier und jetzt scheint aber erstmal alles wieder richtig zu funktionieren. Wir beschränken uns daher darauf auch hier nochmal alle Lötstellen nachzulöten und dann das Gehäuse wieder zusammen zu bauen. Nur einen Extraschritt wollen wir noch machen; die Glühlampen der Instrumentenbeleuchtung sind VON INNEN in das Kombiinstrument eingesetzt und lassen sich entsprechend nur nach einer vollständigen Demontage austauschen. Sehr blöd diese Konstruktion. Also bauen wir noch drei neue Lampen ein, nicht das wir da demnächst nochmal wieder dran gehen müssen.

Der Zusammenbau erfolgt einfach in umgekehrter Reihenfolge. Die größte Hürde bestand für uns darin die Tachowelle wieder richtig am KI einzustecken, aber mit etwas Geduld klappt auch das irgendwann. So ist der Bulli tatsächlich von allen offensichtlichen Fehlern und Macken geheilt. Langfristig könnte man nochmal den undichten Auspuff und die Kurbelgehäuseentlüftung reparieren, aber für heute soll es reichen. So ein Exorzismus ist ganz schön anstrengend.

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